Droht dem Wolfhauser Bühlhofquartier eine «Seefeldisierung»?

Die frisch erstellte Bühlhof-Siedlung (Bildmitte links) in einer Luftaufnahme aus dem Jahr 1970 (Bild: Werner Friedli CC BY-SA 4.0)
Die frisch erstellte Bühlhof-Siedlung (Bildmitte links) in einer Luftaufnahme aus dem Jahr 1970 (Bild: Werner Friedli CC BY-SA 4.0)

Ein Neubauprojekt an der Wolfhauser Bühlhofstrasse sorgt bei den Anwohnerinnen und Anwohnern für Unruhe. Sie sehen darin eine Gefahr für «Charme und Wohnqualiät» im beschaulichen Einfamilienhausquartier aus den sechziger Jahren.

 

Gentrifizierung – das Wort steht für das Phänomen, dass ganze Stadt- oder Dorfquartiere durch Zuwanderung von reichen Bewohnern für bereits Ansässige zu unerschwinglichen Luxusquartieren mutieren. Als Paradebeispiel wird oft das Zürcher Seefeldquartier genannt, weshalb man auch von «Seefeldisierung» spricht. Ausgelöst und befeuert wird eine «Seefeldisierung» in der Regel durch eine Aufwertung der Bausubsustanz mit Abbrüchen, Neubauten und Erweiterungsbauten sowie aufwändigen Renovierungen.

 

Eine solche Entwicklung befürchten einige Bewohner des Wolfhauser Bühlhofquartiers, einer Ende der sechziger Jahre entstandenen Siedlung mit einfachen, bungalowartigen Einfamilienhäusern, die architektonisch alle demselben Muster folgen. Charakteristisch für die Liegenschaften ist der grosse Umschwung, da in der Entstehungszeit Bauland noch vergleichsweise billig war. Ebenfalls charakteristisch ist der einzigartige Blick in die Innerschweizer-und Glarner Alpen. Die Siedlung wurde um die als Ringstrasse gebaute Bühlhofstrasse bewusst so angelegt, das im leicht ansteigenden Terrain mehr oder weniger alle Häuser eine schöne Fernsicht haben.

 

In den letzten Jahren sind viele der ursprünglichen Eigentümer verstorben; ihre Liegenschaften wurden vererbt und gelangten oft durch Verkauf in neue Hände – zumeist zu hohen bis sehr hohen Verkaufspreisen. Das geltende Baurecht machte es möglich, die Häuser auszubauen, zu erweitern, abzureissen und durch grössere und vor allem höhere Neubauten zu ersetzen. Davon wurde bereits da und dort Gebrauch gemacht, und dementsprechend wuchs die Angst vieler Anwohner, das Quartier könnte sich definitiv zum luxuriösen Villenquartier entwickeln.

 

Über 100 Unterschriften

 

Gegen ein Neubauprojekt in der vorderen, der wunderbaren Fernsicht direkt zugewandten ersten Reihe hat sich nun in den vergangenen Monaten offener Widerstand formiert. 101 Anwohnerinnen und Anwohner haben am 26. September 2022 einen Brief an den Gemeinderat mit der Überschrift «Anliegen zur Wahrung des Charmes und Wohnqualität im Wohnquartier Bühlhof» unterschrieben. Vom geplanten Abriss und Neubau eines der Häuschen – es soll rund sieben Meter höher werden als das ursprüngliche Gebäude – seien zwar «nur» ein paar Anwohner direkt betroffen, heisst es in dem Schreiben. Aber: «Falls diese Entwicklung jedoch tatsächlich Einzug halten sollte, befürchten wir, dass bald alle Anwohner betroffen wären und das Quartier dadurch stark abgewertet wird. Das Ortsbild im Quartier würde durch die hohen Bauten leiden, ebenfalls müssten viele Anwohner Abstriche bei der Aussicht und Besonnung ihrer Grundstücke machen. Die unersetzbare und wertvolle Bergsicht wäre somit nur noch für diese Parteien möglich, welche sich eine Aufstockung ihres Gebäudes leisten können.»

 

Im Januar 2023 dann publizierte der Gemeinderat die amtliche Meldung über die erfolgte Bewilligung des Bauprojekts – ohne dass, wie Betroffene gegenüber buebikernews versichern, sie eine Antwort aus dem Gemeindehaus auf den Brief vom 26. September 2022 erhalten hätten. Tatsächlich traf erst Anfang Februar doch noch gemeinderätliche Post ein, als «2. Versand» eines Briefs vom 7. Dezember 2022. Dieser Antwortbrief hätte an «sämtliche Personen gemäss Unterschriftenliste...zugestellt werden sollen», schreibt der neue Hochbau-Abteilungsleiter Manuel Anrig: «Aufgrund einiger Mitteilungen musste dann leider festgestellt werden, dass dieses Antwortschreiben nicht sämtliche Betroffene erreicht hat resp. der Postversand nicht reibungslos verlief.»

 

«Der offenbar missglückte erste Briefversand – rund 80 Adressaten wurden angeschrieben – war bestimmt keine böse Absicht», versichert Hochbauvorsteherin Seraina Billeter: «Da es zwei bis drei unzustellbare Retouren gab, wissen wir mit Sicherheit, dass der Versand erfolgt war, was im Quartier offenbar angezweifelt wird.» Die Rechtsmittelfristen für mehrere Begehrenssteller, die sich gemeldet haben, würden ausserdem noch laufen, bekräftigt auch Hochbau-Abteilungsleiter Manuel Anrig. Er erinnert daran, dass Baugesuchsteller ein Anrecht auf eine Bewilligung haben, wenn die gesetzlichen Auflagen erfüllt sind. Nach Überzeugung des Hochbauauschusses ist das laut Billeter und Anrig der Fall.

 

Verdichtungspotenzial ausschöpfen

 

Im von Hochbauvorsteherin Seraina Billeter und dem damaligen Hochbau-Abteilungsleiter ad Interim, Lukas Weilenmann, unterschriebenen Brief vom 7. Dezember wurde bestätigt, dass der geplante Neubau die gemäss zweigeschossiger Wohnzone W2 zulässige Gesamthöhe ab massgebendem Terrain «vollumfänglich ausschöpfen» werde. Im Vergleich zum heute bestehenden Gebäude sei das eine «Erhöhung um rund 7.0 Meter».

 

Im Gespräch mit buebikernews erklären die Gemeindevertreter: «Gestützt auf das räumliche Entwicklungsleitbild 2040 soll es möglich sein, Wohngebiete unter Beibehaltung bestehender Qualitäten differenziert zu erneuern. Im Rahmen der anstehenden Revision der Richt- und Nutzungsplanung sind dazu geeignete Massnahmen zu diskutieren und vorzusehen.» Im Brief vom 7. Dezember an die Bühlhof-Anwohner heisst es dazu: «Das heutige Verdichtungspotenzial ist im betreffenden Gebiet schon seit Jahren vorhanden und wurde letztmals  in der Revision der Bau- und Zonenordnung im Jahr 2013 durch die Genehmigung durch den Souverän bestätigt.» Und: «Als Schlussfolgerung kann abgeleitet werden, dass das Anliegen zur Beschränkung von Gebäudehöhen wohl in der weiteren Planung nicht berücksicht werden kann.»

 

Hochbauabteilungsleiter Manuel Anrig erinnert daran, dass mit Baugrund haushälterisch umzugehen sei und dass Potenziale ausgeschöpft werden sollen. Auch wenn Gemeinderätin Seraina Billeter betont, dass «kein Anrecht auf Aussicht besteht», habe sie «Verständnis» für die Aufregung im Quartier: «Unabhängig vom konkreten Bauprojekt wird die Quartierbetrachtung in die weitere Bearbeitung der Bau- und Zonenordnung einfliessen.» Sie hoffe, dass sich die Bewohnerinnen und Bewohner des Bühlhofs auch da aktiv einbringen werden. (bn)

 

 

Bis zum Dachgiebel rund 7 Meter höher geplant als das ursprüngliche Gebäude (Bild: buebikernews)
Bis zum Dachgiebel rund 7 Meter höher geplant als das ursprüngliche Gebäude (Bild: buebikernews)

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