Andrea Keller hatte gestern Donnerstag (30. Juni 2022) ihren letzten Arbeitstag als Bubiker Gemeindepräsidentin. Das Stimmvolk hat ihr im März den Verbleib im
Gemeinderat – neu in der Rolle als Schulpräsidentin – versagt, ebenso wie zwei weiteren Gemeinderäten, Anton Diethelm und Thomas Illi. Im Gespräch mit «buebikernews» zieht Andrea Keller Bilanz
über vier schwierige Jahre.
Andrea Keller, wir führen dieses Gespräch wenige Tage vor dem Ende deiner Amtszeit. Wie fühlst du dich?
Nach der grossen Enttäuschung fühle ich mich gut, befreit, bereit für etwas Neues.
Du wurdest vor vier Jahren von den bürgerlichen Parteien FDP, SVP, CVP als Gemeindepräsidentin auf den Schild gehoben. Wie hast du nach der Wahl die
Unterstützung dieser Parteien, die dich portiert haben, erlebt? Gab es überhaupt eine Unterstützung? Von aussen betrachtet hat man nichts davon gespürt…
Der Eindruck ist richtig: Es gab eigentlich keine Unterstützung, obschon man mir Unterstützung versprochen hatte für dieses schwierige Amt. Ich bin zweimal auf
diese Parteipräsidenten zugegangen, und man hat dann mit Ach und Krach einen Termin gefunden. Es gab an diesem Termin aber keinen Austausch, sondern nur wilde Vorwürfe. Man wollte mir beibringen,
wie ich dieses Amt auszuüben habe…
Wäre es nicht generell die Aufgabe der Parteien, ihre Behördenmitglieder zu unterstützen?
Unsere Parteien sind zwar nach aussen nicht sehr spürbar in der Gemeinde. Aber intern ist der Druck teilweise gross. Nennen wir es beim Namen: Die FDP zum Beispiel
hat in der vergangenen Legislatur zwei gute Behördenmitglieder verloren. Von diesem Druck hört man oft, wenn man mit FDP-Behördenmitgliedern spricht…
Bei den letzten Wahlen hatte man ein wenig den Eindruck, es gehe den Parteien vor allem darum, gewisse Personen zu verhindern. Für dich als Kandidatin
für das Schulpräsidium gab es keine Gegenkandidatur, dafür Powerplay im Hintergrund…
Ja, das stimmt, es ging vor allem ums Verhindern. Ich habe meine Absichten für die Wahlen frühzeitig, im Sommer 2021, bekannt gegeben, und da wäre genügend Zeit
gewesen, eine Alternativkandidatur für das Präsidium zu finden. Immerhin standen gute Kandidierende zur Wahl in die Schulpflege zur Verfügung, und daraus ergab sich dann nach meiner Nichtwahl
doch eine gute Lösung für das Präsidium. Da darf man jetzt optimistisch in die Zukunft schauen. Bubikon hat generell das Glück, dass sich meistens genügend Kandidierende für die Ämter
melden.
Du warst nach Christine Bernet erst die zweite Bubiker Gemeindepräsidentin. Beide Frauen wurden nicht gerade pfleglich behandelt. Hat Bubikon ein
Frauenproblem?
Das gibt schon zu denken. Ich glaube aber, Bubikon hat vor allem ein Problem mit seinem Klüngel, mit den «grauen Eminenzen». Es gibt bei uns ein paar Dorfkönige,
die extrem stark sind. Wahrscheinlich wäre auch ein Mann, der nicht so gehandelt hätte, wie dieser erlauchte Kreis sich das vorstellte, nicht besser weggekommen. Ein weiteres Problem besteht
darin, dass sich nur ein kleiner Teil der Bevölkerung politisch beteiligt. Das zeigte sich zum Beispiel in der geringen Wahlbeteiligung. Viele Bubikerinnen und Wolfhauser fühlen sich von der
Dorfpolitik nicht abgeholt. Dasselbe sieht man auch bei den Vereinen: Es sind die Alteingesessenen, die in unserem Dorfleben aktiv sind.
Vor vier Jahren war der ganze Gemeinderat völlig neu. Mein Eindruck ist, dass man der neuen Behörde gar keine Einarbeitungszeit oder Schonzeit einräumen
wollte, dass das Sperrfeuer bereits von Beginn weg da war, Stichwort Rückweisung des ersten Budgets. Wie siehst du das?
Es war eine schwierige Situation damals. Wir sind vor vier Jahren gestartet ohne Gemeindeschreiber. Der frühere Gemeindeschreiber war im Januar 2018 plötzlich
abgetaucht, und man hat nicht einmal einen Springer geholt für die Konstituierung und die Einarbeitung der neuen Behörde ab Juli 2018. Die Rückweisung des Budgets im Dezember 2018 war dann ein
Denkzettel für einen Personalentscheid, den wir im Herbst 2018 fällen mussten und der den erwähnten «Eminenzen» nicht gepasst hat. Die Budget-Rückweisung hatte nichts mit den Zahlen zu tun, das
gleiche Budget ist ja dann wenig später schlank gutgeheissen worden.
Jetzt gibt es nach vier Jahren wiederum neue Ratsmitglieder und Wechsel in wichtigen Ressorts. Ist das gut oder schlecht für die Kontinuität in der
Behördenarbeit?
Die Verwaltung steht aber heute anders da als vor vier Jahren. Obschon in gewissen Medien immer anders dargestellt, hat sich unsere Verwaltung gut etabliert, ist
besser aufgestellt als vor vier Jahren. Die neuen Behördenmitglieder können da auf etwas zurückgreifen. Wir vor vier Jahren trafen eine Verwaltung an, die seit einem halben Jahr ohne
Gemeindeschreiber dastand.
Wie hast du die Begleitung der Ratsarbeit durch die Medien erlebt? Wurde der Gemeinderat unfair behandelt?
Das war oft unschön. Ich habe mir immer gesagt: Die Medien haben die Pflicht zu informieren, aber wie sie das machen, steht auf einem anderen Blatt Papier. Das war
sehr zermürbend und hat viel Kraft und Energie verbraucht. Und auch viele Ressourcen, die wir als Gemeinderat dann nicht frei hatten für Anderes. Meistens ging es ja um personelle Themen, und wie
jedermann weiss, darf man dazu ja gar nichts sagen. Das hat den Unmut in der Bevölkerung noch angestachelt. Und natürlich wurde dieser Unmut auch immer wieder befeuert von dieser Gruppe, die ich
erwähnt habe…
Ist mit dem «Umsturz» bei den Wahlen die Bubiker Vertrauenskrise gelöst?
Ich hoffe ganz fest, dass das jetzt gut kommt, dass der neue Gemeinderat, mit dem neuen Gemeindeschreiber und mit den guten Leuten auf der Verwaltung, durchstarten
kann. Denn wir stehen mit der Gemeinde vor sehr grossen Herausforderungen. Eine solche Unruhe, wie wir sie hatten, bremst einfach alles aus, was wichtig wäre.
Welches war deine grösste Enttäuschung der vergangenen vier Jahre?
Die Enttäuschungen waren eigentlich mehr privater Natur. Ich habe mich in einigen Personen sehr getäuscht und musste mein Menschenbild ein wenig revidieren. Das hat
mich geprägt.
Und welches war dein grösstes Erfolgserlebnis?
Es gab ja auch sehr gute Begegnungen mit Menschen, zum Beispiel an der Bürgersprechstunde. Dann hatten wir einen schönen Teilerfolg im Kampf gegen das Projekt
Abstell- und Serviceanlage der SBB. Und schliesslich konnten wir unsere Gemeindefinanzen stabilisieren. Ich kann gar nicht einen persönlichen Erfolg als Präsidentin erwähnen, ich habe uns als
Gemeinderat immer als Einheit, als Team betrachtet.
Wie würdest du selbstkritisch deine Arbeit beurteilen?
Unsere Gemeinde war schon vor unserer Legislatur in den Schlagzeilen. Mir ist es klar nicht gelungen, neues Vertrauen der Bevölkerung in den Gemeinderat
herzustellen.
Wie sehen deine beruflichen Pläne für die kommenden Jahre aus? Gibt es auch noch politische Pläne, oder ist dieses Kapitel
abgeschlossen?
Nach zwölf Jahren Politik schliesse ich dieses Türchen. Politik ist für mich kein Thema mehr. Ich möchte mich auch nicht mehr
so exponieren. Das hat mich sehr gebraucht. An der Arbeit hatte ich grosse Freude, aber das Rampenlicht, das man in der Politik immer hat, möchte ich nicht mehr. Nach den Sommerferien beginne ich
beruflich etwas Neues. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.
Wo wird Bubikon in vier Jahren stehen?
Bubikon wird weiter wachsen. Hoffentlich kann Bubikon die schönen Flecken, die Naherholungszonen, bewahren. Ebenso unser schönes Dorfleben. Bubikon wird sich aber
wieder stark neu verschulden müssen, denn es stehen viele Investitionen an. Der Verschuldung wird damit aber auch ein Mehrwert gegenüberstehen.
Interview: Thomas Illi
47 Jahre Exekutiverfahrung sind nicht mehr da
Heute Freitag (1. Juli 2022) ist der neu konstituierte Gemeinderat in die Legislatur 2022-2026 gestartet. Obschon ihr nur drei neue Mitglieder angehören, hat sich die Behörde gegenüber der vergangenen Legislatur stark verändert: Der Gemeinderat ist mit drei FDP-Mitgliedern und einer SVP-Vertreterin klar nach rechts gerückt. Auch ohne das neue GLP-Mitglied, das politisch noch nicht klar einzuschätzen ist, haben die Bürgerlichen im auf sieben Mitglieder verkleinerten Gremium die absolute Mehrheit Und damit auch die absolute Verantwortung. Eine politische Mitte wie in den vergangenen vier Jahren – gebildet durch «Die Mitte», die EVP und zwei Parteilose – fehlt und wird allenfalls fallweise durch die beiden Vertreter der Freien Bürger abgebildet. Eine politisch sichtbare Linke existiert in Bubikon derzeit nicht.
Was sicher zu beachten ist: Der neue Gemeinderat hat einen enormen Aderlass an politischer Erfahrung zu verkraften. Die drei Ratsmitglieder, denen
das Stimmvolk am 27. März 2022 den Verbleib im Rat verweigerte, vereinigten zusammen 47 Jahre an Erfahrung in Exekutivämtern und 13 Jahre an Erfahrung in Exekutivpräsidien. Der neue Rat dagegen
bringt es zusammen gerade mal auf 22 Jahre Exekutiverfahrung, acht davon beigesteuert allein durch die neue Schulpräsidentin. Zwei Ratsmitglieder sind völlig unerfahren, und selbst der neue
Präsident kann gerade mal ein einziges Jahr Exekutiverfahrung vorweisen. Erfahrung in einem Präsidium hat niemand. (bn)
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