Bubiker Kirchen sind verschieden "geostet"

Bilder: http://www.gis.zh.ch
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Auf Bubiker Gemeindegebiet stehen zwei mittelalterliche Kirchen: Die reformierte Kirche im Dorfkern, die auf das frühe 12. Jahrhundert zurückgeht, sowie die Kapelle im Ritterhaus, die 1207 eingeweiht wurde. Beide Gotteshäuser sind "geostet", also nach Osten, der Himmelsrichtung des Sonnenaufgangs, orientiert. "Orientiert" bedeutet übrigens nichts anderes als "geostet".

 

Das ist kein Zufall: Das Beten nach Osten hat in der christlichen Kultur eine lange Tradition, denn man brachte den Sonnenaufgang mit der Auferstehung in Zusammenhang. Auch Erdgräber wurden oft so angelegt, dass die Bestatteten nach Osten blickten, in Erwartung der Wiederkunft Christi am jüngsten Tag. Besonders mittelalterliche Kirchen wurden häufig nach Osten orientiert, und zwar so, dass sie an einem ganzen bestimmten Tag genau in Richtung des Sonnenaufgangs stehen. Der Wiener Stephansdom ist beispielsweise so ausgerichtet, dass die Gläubigen genau am Stephanstag (26. Dezember) in Richtung Sonnenaufgang blicken. Oft ist dieser "Sonnenaufgangstag" jener Tag, als die Kirche geweiht wurde.

 

Die Bubiker Kirchen sind interessanterweise unterschiedlich "geostet". Bei der Kirche im Dorf beträgt die Abweichung vom exakten Osten rund 18 Grad in nördlicher Richtung, die Himmelsrichtung der Kirchen-Achse lautet demnach 72 Grad O. Beim Ritterhaus beträgt die Abweichung von Osten nur 12 Grad, aber ebenfalls in nördlicher Richtung. Hier lautet die Richtung 78 Grad O. Was lässt sich nun daraus ablesen? Klar ist: Die nordöstliche Ausrichtung orientiert sich an einem Sonnaufgangsdatum, das für beide Kirchen im Sommerhalbjahr liegt, denn zwischen den beiden Tag- und Nachtgleichen im März und im September steht die Sonne im Norden. Oft steht das Weihedatum mit der Auferstehung im Zusammenhang, also kommen vor allem Ostern, aber auch Pfingsten in Frage. Gut möglich, dass die Ritterhauskapelle an Ostern 1207 geweiht wurde, die in diesem Jahr spät nach der Tag- und Nachtgleiche stattfanden (22. April nach dem julianischen Kalender), und die Kirche im Dorf an einem frühen Pfingstfest Anfang des 12. Jahrhunderts.

 

Dies zu errechnen ist – besonders bei beweglichen Festen wie Ostern und Pfingsten  – allerdings sehr schwierig, denn unter anderem fand im Jahr 1583 eine Kalenderreform statt: Der julianische Kalender wurde durch den gregorianischen abgelöst. Interessanterweise hat sich noch kein Forscher mit der Orientierung der Bubiker Kirchen befasst, auch nicht die Autoren der Ortsgeschichte "Bubikon / Wolfhausen - zwei Dörfer, eine Gemeinde".

 

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